„Erhalt geht vor Neubau“
Frau Behrens, mit einem 40 Milliarden Euro schweren Fonds wollen die Verkehrsminister der Bundesländer die Sanierung des maroden Straßennetzes in Deutschland voranbringen. Woher soll das Geld denn kommen?
Daniela Behrens:
Eine konkrete Überlegung ist, die Lkw-Maut auszuweiten. Bisher fallen nur Lastwagen ab zwölf Tonnen unter die Maut. Künftig könnten bereits Lastwagen ab 7,5 Tonnen mautpflichtig werden. Außerdem könnten verstärkt Bundesstraßen mit einer Maut belegt werden. Das würde uns auch ermöglichen, den bestehenden Maut-Ausweichverkehr einzudämmen. Insgesamt wäre damit für die Finanzierung des Fonds viel gewonnen.
Was halten Sie von einer Pkw-Maut?
Eine Pkw-Maut lehnen wir ab. Sie würde zu einer zusätzlichen Belastung der Autofahrer führen.
Ist die private Finanzierung des Straßenbaus eine Alternative?
Es geht hier ja zunächst nicht um Neubau, sondern um die Bereitstellung zusätzlicher öffentlicher Mittel, um die Sanierung und Erhaltung des Verkehrsnetzes in Niedersachsen und Deutschland sicherzustellen. Diese Aufgabe ist in den vergangenen Jahrzehnten sträflich vernachlässigt worden. Der Fonds soll eine verlässliche Grundfinanzierung von Straße, Schiene und Wasserstraße über mehrere Legislaturperioden hinaus bieten.
Wo sehen Sie den dringlichsten Sanierungsbedarf auf Niedersachsens Straßen?
Der Bedarf ist enorm. Allein für die Unterhaltung und Sanierung von Landesstraßen schieben wir aus den vergangenen zehn Jahren ein Bugwelle von rund 200 Millionen Euro vor uns her. Wenn wir auf die Bundesfernstraßen schauen, ist der Bedarf nicht geringer. Das Teilstück der Autobahn A2 zwischen Wunstorf und Hannover-Ost ist zum Beispiel dringend sanierungsbedürftig. Für die Fahrbahnerneuerung müsste wohl ein dreistelliger Millionenbetrag kalkuliert werden. Im Norden ist die A29 zwischen Ahlhorn und Wilhelmshaven ebenfalls ein Sanierungsfall.
Wenn die bestehenden Straßen in einem so schlechten Zustand sind, sollten wir dann nicht lieber auf teure neue Autobahnen wie die A20 von Westerstede nach Drochtersen oder die A39 von Lüneburg nach Wolfsburg verzichten?
Für uns gilt in der Tat die Maxime „Erhalt geht vor Neubau“. Nichtsdestotrotz müssen wir auf veränderte Verkehrsströme reagieren. Die A20 ist ein Projekt von europaweiter Bedeutung und für die Hafenhinterlandanbindung entscheidend. Die A39 ist ebenfalls wichtig, aber hier haben wir auch eine Alternativplanung für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet, nämlich den Ausbau der Bundesstraße 4.
Wäre der Ausbau von Bundesstraßen mit Zweipluseins-Fahrstreifen wie vor dem Wesertunnel in der Wesermarsch nicht ein Kompromiss?
Bei der A39 halten wir einen solchen Kompromiss für denkbar.
Was sagen Sie den Gegnern neuer Autobahnen?
Verkehrspolitik bedeutet mehr als nur neue Straßen. Wir setzen beispielsweise auf Erhaltung und Sanierung, wir setzen auch auf die Reaktivierung von Bahnstrecken, überhaupt setzen wir beim Güterverkehr auf eine bessere Nutzung von Schiene und Wasserstraße. Aber auch die radikalen Gegner von Autobahnen müssen wissen, dass wir auf einzelne Projekte nicht verzichten können.
Ihr Koalitionspartner in Hannover hält auch nichts von neuen Autobahnen…
Stimmt offenbar. Der Koalitionsvertrag bietet aber eine gute Basis für rot-grüne Verkehrspolitik. Wir haben uns darauf verständigt, die Planungen für die A20 und A39 fortzusetzen. Und das machen wir auch.