Viele Autobahngegner haben große Erwartungen in die zukünftige rot-grüne Regierung in Hannover gesetzt - und sind enttäuscht, dass die Planungen für die A 39 und A 20 weitergehen. Auch wir hatten uns mehr erhofft. Wir hatten erwartet, dass das, was die Koalitionäre als Ziele ihrer Verkehrspolitik formulieren, konkret zu einem Stopp der Autobahnprojekte führt. Das ist nicht der Fall. Für uns heißt das weitermachen. Wir werden die rot-grüne Koalition immer wieder an die im Koalitionsvertrag formulierten Ziele wie "Nachhaltigkeit" und "Erhalt vor Neubau" erinnern und messen.Wir als BI werden nicht nachlassen, uns für Vernunft, Wirtschaftlicheit und Nachhaltigkeit in der Verkehrspolitik einzusetzten und das heißt, gegen die A 39 zu kämpfen.
Hier zum Nachlesen die Koalitionsvereinbarungen zum
allgemeinen Verkehr und zum Strassenbau:
Verkehr - Zukunftsfähige Mobilität für alle in Niedersachsen
Viele Verkehrs-Großprojekte in Niedersachsen sind über ihre Ankündigung, Teilplanungen oder inzwischen völlig unrealistische Kostenkalkulationen hinaus in den vergangenen zehn Jahren nicht vorangekommen. Niedersachsen braucht einen Neuanfang. Denn auch vor dem Hintergrund einer maßlosen Überzeichnung der Mittel im Bundesverkehrswegeplan mit einer Vielzahl von Verkehrsprojekten ist eine reine Fortschreibung nicht sinnvoll. Die Verkehrspolitik muss unter den Gesichtspunkten von Vernetzung und Nachhaltigkeit überprüft werden.
Die Infrastrukturpolitik braucht zunächst auch auf Bundesebene ein neues Grundkonzept für die Bundesdesverkehrswegeplanung 2015. Eine reine Fortschreibung des derzeit geltenden Bundesverkehrswegeplans von 2003 wird wegen immer enger werdender finanzieller Spielräume einer bedarfsgerechten Schwerpunktsetzung nicht gerecht.
* Die Infrastrukturpolitik des Landes muss am Leitbild einer sozialen, ökonomischen und ökologischenEntwicklung nachhaltig ausgerichtet werden.
*Die Bürgerinnen und Bürger müssen umfassend und frühzeitig bei der Festlegung der Ziele undPrioritäten des Infrastrukturausbaus sowie bei der Planung der Verkehrswege beteiligt werden. Nur so können Lösungen gefunden werden, die möglichst vielen Interessen gerecht werden und Akzeptanz schaffen. Es müssen mehr Planungsspielräume vor Ort ermöglicht werden.
* Es bedarf einer besseren Abstimmung zwischen dem Bundesverkehrswegeplan und den vorhandenenInfrastrukturnetzen der Bundesländer. Dazu gehört auch eine anteilige Finanzierung von Netzen der NE-Bahnen durch den Bund.
* Alle Verkehrsträger, Straße, Schiene, Wasserstraßen und Luftverkehr, sind unterVernetzungsgesichtspunkten bei Ausbauprojekten zu planen und zu realisieren. Dabei ist der Verkehr verstärkt auf umweltfreundlichere Träger zu verlagern und ein „Modal Split" zwischen den Verkehrssystemen zu entwickeln. Dafür sind flankierend Anreize zu schaffen, damit der Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsträger wie Schiene und Wasserstraße sowie der ÖPNV, Fuß- und Radverkehr vorankommen.
* Verkehrspolitik muss künftig zunächst durch effiziente Organisation von Verkehr und eine integrierteVerkehrs- und Siedlungspolitik bestehende Infrastrukturen besser nutzen, statt dem Verkehrswachstum nur hinterher zu bauen.
* Eine Umgehung von Finanzierungsengpässen beim Straßenbau durch die Erhebung einerallgemeinen PKW-Maut, wie auch in Niedersachsen immer wieder von Politikern gefordert, lehnt die rot-grüne Koalition ab. Steigende Einnahmen aus der LKW-Maut müssen für den Substanzerhalt und den klimafreundlichen Umbau der Infrastruktur genutzt werden.
Die rot-grüne Koalition will allen Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen eine klimagerechte Mobilität ermöglichen und setzt dabei vorrangig auf den Umweltverbund. Dazu wird die Infrastruktur aller Verkehrsträger optimiert und vernetzt.
Die rot-grüne Koalition wird
* die Mittelanteile aus dem Entflechtungsgesetz zugunsten des Öffentlichen Personennahverkehrsverschieben (60/40). Gleichzeitig dringt sie darauf, dass auch der Bund den Anteil seiner Mittel zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur deutlich zugunsten von Schiene und Wasserstraße erhöht.
* gesetzlich absichern, dass die ab 2014 nicht mehr zweckgebundenen Mittel aus demEntflechtungsgesetz weiterhin für kommunale Verkehrsprojekte eingesetzt werden (LandesGVFG). Dies soll nicht nur für Erst-, sondern auch für Erneuerungsinvestitionen gelten. Neben den bisherigen Fördermöglichkeiten sollen auch Radverkehrsanlagen sowie – insbesondere im ländlichen Raum –Innovationen bei Verkehrskonzepten, Bussen, Informations- und Kommunikationssystemen gefördert werden. Die rot-grüne Koalition wendet sich gegen die aktuellen Kürzungsabsichten des Bundes und fordert gleichzeitig eine über das Jahr 2019 hinaus verstetigte und dynamisierte Mittelausstattung in diesem Gesetz.
Der Nahverkehr braucht eine langfristig tragfähige Finanzierungsperspektive, um die Mobilität im zweitgrößten Flächenland zu gewährleisten und um den Herausforderungen des demografischen Wandels gerecht werden zu können. Dafür müssen die Regionalisierungsmittel des Bundes dauerhaft gesichert und dynamisiert werden. Das GVFG-Bundesprogramm für große Maßnahmen muss über 2019 hinaus fortgesetzt werden.
Güterverkehre auf Schiene und Binnenwasserwege verlagern
Die rot-grüne Koalition nimmt die Herausforderungen an, die sich Niedersachsen als Drehscheibe zwischen den Seehäfen im Norden, dem Süden Deutschlands und Europas, den bevölkerungsreichen Zentren im Westen und den aufstrebenden Staaten in Mittelosteuropa stellen.
Die rot-grüne Koalition verfolgt das Ziel, Güterverkehr von der Straße auf die Schiene und die Binnenwasserstraßen zu verlagern. Dazu ist es zunächst dringend erforderlich, die Schienenstrecken für den Hafenhinterlandverkehr auszubauen. Zur geplanten Y-Trasse werden zurzeit von der Bahn Alternativen geprüft. Wir werden diese Alternativenprüfung konstruktiv begleiten und für eine transparente Bürgerbeteiligung sorgen.
Die rot-grüne Koalition betrachtet nach den heutigen Erkenntnissen den Ausbau des Bestands von DB- und NE-Bahnstrecken vor allem auch zur Entkoppelung von Güter- und Personenverkehren als realistischer als große Neubauvorhaben auf bisher nicht bestehenden Trassen. Dies betrifft z.B. die Strecke Rotenburg-Verden und die Amerika-Linie. Eine leistungsfähige Hafenhinterlandanbindung wird schnell benötigt. Im Zusammenhang mit dem Einsatz öffentlicher Mittel für die Ertüchtigung von Schienennetzen wird die Einrichtung einer Schieneninfrastrukturgesellschaft geprüft.
Die rot-grüne Koalition fordert den Bund auf, den dringend erforderlichen Lärmschutz für den Schienenverkehr vor allem für Güterwagen, aber auch für seine Bahnstrecken, zügig zu verwirklichen. Nur so kann bei Bürgerinnen und Bürgern die notwendige Akzeptanz für mehr Verkehr auf der Schiene erreicht werden.
Die rot-grüne Koalition
* wird sich auf Bundesebene für eine Modernisierung der Lärmberechnung und eine schnellstmöglicheAbschaffung des sogenannten Schienenbonus bei der Lärmberechnung für neu zu beginnende Planungsverfahren einsetzen.
Zukunft der Straßeninfrastruktur: Erhalt vor Neubau
Die Landesbehörde für Verkehr schätzt den jährlichen Bedarf zur Erhaltung der Bundesfernstraßen auf dem derzeitigen Niveau auf 200 Millionen Euro jährlich ein – ohne Ingenieurbauwerke und Zustandsverbesserungen auf der freien Strecke. Der Nachholbedarf für Ingenieurbauwerke wird mit 50 Millionen Euro jährlich für die nächsten 15 Jahre beziffert. Dafür ist bisher in nicht ausreichendem Maße Vorsorge getroffen worden.
Dem stehen Vorbelastungen aus den laufenden, bereits im Bau befindlichen Projekten gegenüber, für deren Fertigstellung noch mindestens 550 Millionen Euro ab dem laufenden Haushaltsjahr erforderlich sind. Nach den Haushaltsplanungen des Bundes im Verkehrsetat wären zur Realisierung in Niedersachsen mehr als zehn Jahre notwendig. Deshalb ist davon auszugehen, dass in der laufenden Legislatur keine neuen Projekte begonnen werden.
Vor dem Hintergrund der anstehenden Neuausrichtung der Verkehrspolitik des Bundes ergibt sich ein Umschichtungspotenzial im Verkehrsetat zur anteiligen Übernahme der Schülerbeförderung (45a Mittel) und zur notwendigen Anschubfinanzierung für die Planung bzw. Kofinanzierung vorrangiger Schienenprojekte von u. a.:
- 2. Gleis Rotenburg/Verden
- 2. Gleis Weddeler Schleife,
- 2. Gleis Amerikalinie und
- NE-Bahnausbauten.
Die rot-grüne Koalition wird
* den zunehmenden „Mautausweichverkehr" zum Schutz von Anwohnerinnen und Anwohnern sowie derInfrastruktur eindämmen. So wird die rot-grüne Koalition zukünftig überall, wo Mautausweichverkehr Anwohnerinnen und Anwohner belastet, LKW-Maut und andere geeignete Maßnahmen einführen.
* wird sich dafür einsetzen, dass alle Regionen des Landes so an die Verkehrsinfrastruktur angebundensind, dass sie ihre Potenziale optimal nutzen können. Wo immer möglich, wird das durch Förderung von Schiene und Wasserstraße erfolgen.
* Landesgelder verstärkt für den zu lange vernachlässigten Substanzerhalt der Landesstraßeneinsetzen und den Bund auffordern, für seine Fernstraßen und Autobahnen das Gleiche zu tun. Alleen und straßenbegleitende Bäume stellen vielfach wertvolle und erhaltenswerte Bestandteile der niedersächsischen Kulturlandschaft dar. Straßen mit Baumbeständen sind zur Verbesserung der Verkehrssicherheit insbesondere an Unfallschwerpunkten mit Schutz- und Leitplanken auszustatten. Straßenbauliche Regelwerke und Finanzierungsinstrumente sind so anzupassen, dass vorhandene Baumreihen bei einer notwendigen Grundsanierung oder beim Ausbau dieser Straßen erhalten werden können. Dies gilt auch für den kommunalen Straßenbau beim Einsatz von Fördermitteln des Entflechtungsgesetzes.
Die rot-grüne Koalition
* wird gemeinsam mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung eine Machbarkeitsstudie zurEinrichtung einer leistungsstarken Fährverbindung (LKW/PKW/Bus) zwischen Cuxhaven und Brunsbüttel auf den Weg bringen.
* gegen die immer noch zu hohen Verkehrsunfallopferzahlen aufgrund überhöhter Geschwindigkeitvorgehen. Deshalb werden eine bessere Kontrolle vorhandener Tempolimits durchgesetzt und für Unfall- oder Lärmschutz ggf. noch weitere Geschwindigkeitsbegrenzungen erlassen. Auf zweispurigen Autobahnen soll die Verkehrssicherheit zusätzlich durch ein LKW-Überholverbot verbessert werden.
* für das von ihr kritisch bewertete Gigaliner-Experiment keine neuen Streckengenehmigungen erteilen.Die Ergebnisse des Modellversuchs werden insbesondere hinsichtlich möglicher Verlagerungseffekte zu Lasten des Güterverkehrs auf der Schiene kritisch ausgewertet.
* die laufende Neuaufstellung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) dazu nutzen, einen Schwerpunktbeim Ausbau der Infrastrukturen der umweltverträglichen Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße zu setzen.
Trotz unterschiedlicher Einschätzung zum Nutzen von zusätzlichen Autobahnen haben sich SPD und Grüne verständigt,
- neue Verkehrsprojekte des vordringlichen Bedarfs an ihrer Netzfunktion zu orientieren, an den Nachhaltigkeitszielen und an der Finanzierbarkeit zu messen und erst dann kostenintensiv zu planen, wenn in vertretbarer Zeit auch die Gesamtfinanzierung sichergestellt ist,
- bestehende, nicht fertig geplante bzw. ungeplante Verkehrsstrecken im Hinblick auf nachhaltige verkehrspolitische Ziele neu zu überprüfen.
Bei der Realisierung sind in den nächsten Jahren folgende Prioritäten zu setzen:
- höchster Verkehrsnutzen bei möglichst geringer Belastung für Mensch und Natur,
- Erhalt vor Neubau,
- optimierte Nutzung vorhandener Kapazitäten,
- Vorrang bei Engpassbeseitigung, um Störanfälligkeit zu verhindern,
- Stärkung intermodaler Knoten und kombinierten Verkehrs.
Unter diesen Maßgaben werden z.B. die Planungen zur A20 und A39 mit eingeschränktem Mitteleinsatz weitergeführt, um mit realistischen Kostenschätzungen bei der Aufstellung des BVWP vom Bund klare Aussagen zur Gesamtfinanzierung und zum Umsetzungszeitraum zu erhalten. Parallel wird die rot-grüne Koalition Vorkehrungen treffen und die regionalen Alternativplanungen, wie z.B. den 2+1 Ausbau der B4 und die zweispurige Umgehungsstraße um Bremervörde, für den vordringlichen Bedarf zum BVWP anmelden.
Die abgelöste Landesregierung hat völlig unrealistisch mehr als 200 Straßenbauvorhaben für den BVWP angemeldet. Deshalb wird die rot-grüne Koalition alle Straßenbaumaßnahmen angesichts der begrenzten Baumittel des Bundes erneut grundsätzlich hinterfragen: mit Blick auf ihren Verkehrsnutzen, den mit dem Bau verbundenen naturräumlichen Belastungen und den jeweiligen Kosten, um sie dann in ein Ranking der dringlichsten und vertretbarsten Maßnahmen zu bringen.
Die Anmeldungen von Projekten im Bereich der Bundesfernstraßen sind darauf zu konzentrieren, dass sie im Planungszeitraum auch unter Haushaltsgesichtspunkten eine Realisierungschance bieten und es dafür keine sinnvolle Alternative gibt. Dazu gehört auch die kritische Überprüfung noch offener Projekte aus dem bisherigen BVWP.
Die Anmeldung neuer Autobahn-Großprojekte ist nicht geplant. Dies betrifft z.B die Verlängerung der A39 vom Dreieck Salzgitter durch den Solling nach Paderborn oder die Verlängerung der A27 vom Dreieck Walsrode Richtung Landesgrenze Sachsen-Anhalt.
Die anfangs mit zehn Millionen Euro geschätzten Baukosten der Elbbrücke bei Neu Darchau drohen inzwischen die 45-Millionen-Eurogrenze zu überschreiten. Die rot-grüne Koalition wird als Rechtsnachfolgerin der abgelösten Landesregierung die politische Verantwortung wegen der engen Haushaltslage maximal für diesen Betrag tragen. Für weitere Kostensteigerungen und den Unterhalt werden keine Mittel bereitgestellt.
Bei vierspurig geplanten Straßenbaumaßnahmen wird geprüft, ob es möglich ist, im Rahmen des Baurechts und unter Berücksichtigung der begrenzten Möglichkeiten des Neubau-Etats zunächst eine zweispurige Teilrealisierung vorzunehmen.