Kommentar 11.8.2013
 
 
 
von WoSch

Natürlich, auch Bundesverkehrsminister Ramsauer macht Wahlkampf, aber muss er sich dabei gleich so gründlich blamieren? Seine von der AZ wiedergegebenen Aussagen zur A 39 sind entweder inhaltsleer oder falsch; sie stehen zudem in diametralem Gegensatz zur „Grundkonzeption für den Bundesverkehrswegeplan 2015“, die sein Ministerium kürzlich veröffentlicht hat. Sehen wir uns seine von der AZ wörtlich wiedergegebenen Argumente etwas genauer an – in der Reihenfolge ihres Auftretens:


1. „Wir werden bei dieser Strecke keine Abstriche machen.“ Abgesehen davon, dass eine solche Aussage zur Zeit nicht einmal der Minister seriös machen kann, weil erst im Laufe des nächsten Jahres alle noch nicht im Bau befindlichen Verkehrsinfrastrukturprojekte hinsichtlich ihres ökonomischen Nutzens neu bewertet und erst dann in eine Rangfolge gebracht werden sollen, besagt der Satz nur, dass die Autobahnbefürworter an ihren Plänen festhalten wollen. Hat jemand etwas anderes erwartet?


2. „Beide (A 14 + A 39) haben eine europaweite Bedeutung.“ Das ist mindestens zur Hälfte gelogen: Verkehrswege von europaweiter Bedeutung sind im Konzept der sogenannten Transeuropäischen Netze (TEN) aufgeführt; das Bundesverkehrsministerium aber hat die A 39 Ende letzten Jahres nicht zu den TEN angemeldet, obwohl die damalige niedersächsische Landesregierung (McAllister) sie darum ersucht hatte. Herr Ramsauer weiß also, dass die A 39 da nicht reingehört.


3. Der Raum, durch den A 14 und A 39 führen sollen „ist der größte autobahnfreie Raum Deutschlands“. Ein vollkommen inhaltsleeres Argument, denn es gilt so lange, bis es in Deutschland keinen Quadratmeter mehr gibt, der nicht unter Asphalt begraben ist. Bis dahin ist immer irgendwo der „größte autobahnfreie Raum Deutschlands“.


4. Ramsauer ist sich sicher, dass er die A 39 „im neuen Bundesverkehrswegeplan unterbringen“ wird. Auch wenn sie da nicht reingehört – diese Aussage besagt für diese Autobahn nichts. Denn der Bundesverkehrswegeplan ist kategorisiert, und es wird (vor)entscheidend sein, in welche Kategorie die A 39 eingeordnet wird. Im Vordringlichen Bedarf hat sie, folgt man den Priorisierungskriterien des Bundesverkehrsministeriums, nichts verloren, und im sogenannten Weiteren Bedarf richtet sie keinen Schaden an (das ist gewissermaßen das Abstellgleis des Bundesverkehrswegeplans).


5. Man dürfe die A 39 nicht nur nach dem Kosten- Nutzen-Maßstab beurteilen, sagt Ramsauer und verweist aufs Jahr 1883 und den Bau des Nord-Ostsee-Kanals. Möchte Ramsauer nun auch noch den Kriegsherren spielen und über die A 39 Panzer rollen lassen? Denn mitentscheidend für den Bau des Nord-Ostsee-Kanals waren damals vor allem militärisch-strategische Erwägungen: „Der deutschen Flotte sollte die Möglichkeit gegeben werden, >jederzeit von der Ostsee in die Nordsee zu gelangen, ohne unter dänischen Kanonen passieren zu müssen<“, schrieb Bismarck zur Begründung des Projekts (Wikipedia).


6. „Die Frage, wie wir den Aderlass im ländlichen Raum bremsen können, spielt da eine große Rolle.“ So etwas ist, wenn überhaupt je, seit mindestens 30 Jahren durch den Bau einer Autobahn nicht mehr erreicht worden. Im Gegenteil: Untersuchungen zeigen, dass Autobahnen, die strukturschwache Gebiete mit strukturstarken verbinden, eine Sogwirkung aus den strukturschwachen Gegenden heraus und in die strukturstärkeren Gegenden hinein (und nicht etwa umgekehrt) entfalten.


7. „Wir werden diese Region (Uelzen/Gifhorn) mit einer guten Verkehrsinfrastruktur ausstatten.“ Wer wollte dem widersprechen? Aber zum einen ist die Verkehrsinfrastruktur in der Region so schlecht nicht, und zum anderen: Was an ihr sinnvoll verbessert werden kann, lässt sich durch einen 2+1-Ausbau der B 4 mit Ortsumfahrungen besser als durch einen Autobahnneubau erreichen. Immerhin hat die neue Landesregierung diesen Ausbau für den neuen Bundesverkehrswegeplan angemeldet. Das ist ein Anfang.


Schlussfrage: Warum macht die AZ aus solch ministerialem Wahlkampfgerede ein solches Autobahn-Hurra-Stück? Nun, Journalismus ist oft genug die Kunst, auf einer Glatze Locken zu drehen. In dieser Kunst hat die AZ es weit gebracht.


 
10.08.13
Verkehrsminister Peter Ramsauer bekennt sich zu Bauprojekt: „Haben Verantwortung für Region“

„Keine Abstriche bei der A 39“

 

Uelzen/Wittenberge. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer hat sich gestern am Rande einer Baustellenbesichtigung in Brandenburg mit Nachdruck für den Weiterbau der Autobahn 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg ausgesprochen.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer gestern im Gespräch mit örtlichen Gemeindevertretern bei Karstädt in der Prignitz (Brandenburg): Während die A 14 bei der Bevölkerung auf große Zustimmung stößt, gibt es bei der A 39 mehr Widerstände.

„Wir werden bei dieser Strecke keine Abstriche machen“, betonte der Minister bei einem Pressetermin bei Wittenberge. Dort wird derzeit die Autobahn 14 auf einer Länge von 156 Kilometern gebaut. Sie wird frühestens im Jahr 2020 durchgehend Magdeburg mit Schwerin verbinden und bei Stendal auch durch die benachbarte Altmark führen.

Zwischen den Autobahnen 14 und 39 gebe es zahlreiche Parallelen, erklärte Ramsauer: „Beide haben eine europaweite Bedeutung. Das ist der größte autobahnfreie Raum Deutschlands“. Er sei sich deshalb sicher, „dass wir die neue Fernstraße zwischen Lüneburg und Wolfsburg im neuen Bundesverkehrswegeplan unterbringen“.

Ein solches Bauprojekt wie die A 39 dürfe man nicht nur nach dem Kosten-Nutzen-Maßstab beurteilen, so Ramsauer weiter: „Wenn man sich darauf beschränken würde, dann gäbe es den Nord-Ostsee-Kanal bis heute nicht“, warf der Verkehrsminister einen Blick in die deutsche Geschichte. Doch gerade auch regionale Aspekte hätten Kaiser Wilhelm I. im Jahr 1883 veranlasst, den Bau des Kanals in Auftrag zu geben. Und bis heute müsse man bei solchen Vorhaben auch raumplanerische Aspekte einfließen lassen: „Die Frage, wie wir den Aderlass im ländlichen Raum bremsen können, spielt da eine große Rolle“. Und auch eine Autobahn sei bei solchen Problematiken eine Antwort, betonte der Minister im Gespräch mit der AZ. Die A 39 durch die Landkreise Uelzen und Gifhorn sei „ein typisches Beispiel, wo wir Neubauten einfach brauchen“. In der Region gebe es eine große Erwartungshaltung an die Politik „und wir werden diese Region mit einer guten Verkehrsinfrastruktur ausstatten“.

Ab Montag, 19. August plant die Landesverkehrsbehörde die Kartierung der A-39-Trasse von Lüneburg bis Uelzen.

Von Thomas Mitzlaff

 

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